Müssen Eisenbahnen zukünftig umfassend die Vegetation längs der Strecke überwachen? VDMT wendet sich deutlich gegen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung

Einen Schildbürgerstreich sondergleichen plant offensichtlich die Bundesregierung: Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen sollen, so sieht es ein Referentenentwurf aus dem Bundesverkehrsministerium zur Änderung des AEG (hier Entwurf zu §§ 24, 24a AEG) vor, verpflichtet werden, die Vegetation längs der Bahnstrecken in einem Korridor von 50 m (!) links und rechts der Gleise planmäßig alle 9 bis 15 Monate zu kontrollieren, den Bahnbetrieb gefährdende Bäume zu kennzeichnen, die Ergebnisse zu dokumentieren und sie dem

Grundstückseigentümer mitzuteilen. Die Aufsichtsbehörde soll nicht etwa überwachen, ob der Grundstückseigentümer die Gefahr beseitigt, sondern nur, dass das EIU seiner Kontrolltätigkeit ordentlich nachkommt.

Das stellt die geltende Verkehrssicherungspflicht auf den Kopf. Der Grundstückseigentümers hat dafür zu sorgen, dass von seinem Grundstück keine Gefahr für Dritte ausgeht. Also muss der Grundstückseigentümer Bäume auf seinem Grundstück auf Standsicherheit usw. hin überwachen. Kommt er dem nicht nach, muss die Ordnungsbehörde einschreiten. Nur ihr stehen die erforderlichen und effizienten Mittel des Verwaltungszwangs zur Verfügung. Ein EIU kann sie nicht nutzen. Stellt ein nicht mehr standsicherer Baum eine Gefahr für die Eisenbahn dar, soll die Eisenbahnaufsichtsbehörde den Grundstückseigentümer auffordern müssen, den Baum zu fällen. Genau so regeln es für einige Länder (z. B. Bayern oder Baden-Württemberg) für Nichtbundeseigene Bahnen in deren Eisenbahngesetzen. Daran sollte sich der Bund sinnvollerweise orientieren. Käme die geplante Neuregelung im AEG, würden diese sinnvollen Regelungen für NE-Bahnen übrigens zurücktreten.

Faktisch würden durch die vorgesehene Änderung des AEG die Grundstückseigentümer und Waldbesitzer ihre Hände in den Schoß legen und die Kontrollergebnisse der Eisenbahnen abwarten. Damit wird die Verantwortung vom Eigentümer auf die Bahn abgewälzt. Fraglich ist, ob die Bahn dann auf zivilrechtlich haftet und strafrechtlich verantwortlich ist, wenn es durch Windbruch oder ähnliche Schäden es zu einem Unfall kommt.

Aus Sicht des VDMT ist es sicherlich sinnvoll, den Grundstückseigentümer auch im AEG gesetzlich nachhaltig an seine Verkehrssicherungspflicht zu erinnern. Genauso vernünftig ist es, dem EIU Betretungsrechte auf fremden Grund und Boden einzuräumen, wenn sich das EIU bei vermuteter Gefahr selbst einen Eindruck vom Zustand des Bewuchses machen will. Es muss aber bei der Verantwortlichkeit des Grundstückseigentümers bleiben. Kommt er dieser Verantwortlichkeit nicht nach, hat die Aufsichtsbehörde als Träger der öffentlichen Gewalt einzuschreiten. Genau diese Gefahrenabwehr ist Aufgabe jeder Ordnungs- und der Aufsichtsbehörde und nicht, wie im Entwurf vorgesehen, die Kontrolle darüber, dass das EIU tatsächlich die bahnseitigen Bäume begutachtet hat. Das ist Formalismus ohne Erkenntnisgewinn, von den Kostenfolgen durch Begutachtung des Bewuchses usw. ganz zu schweigen..

Dieser Gesetzentwurf zeigt auch noch eine ganz erhebliche Schwäche des Eisenbahnrechts allgemein auf. Ein vergleichsweise einfacher Lebenssachverhalt benötigt 1,5 DIN A 4 – Seiten zur Gesetzestext zur Regelung ohne dass damit eine Minderung von Gefahren bewirkt wird. Das ist symptomatisch. Die Regelungen sollen es allen Recht machen und werden deshalb komplex und teuer. Gerade kleinere Infrastrukturbetreiber können oder wollen dies nicht mehr leisten. Sie scheiden aus dem Markt aus, die Eisenbahninfrastrukturen werden stillgelegt. Sicherlich, den Verfassern im BMVI kann man guten Willen unterstellen, aber sie sind auch recht weit weg von Geschehen. Das deutsche Bahnnetz besteht eben nicht nur aus ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecken und TEN-Netzen. Wie so oft im Recht mangelt es nicht an gesetzlichen Vorschriften, sondern „nur“ am Vollzug.

Download als PDF  den  Gesetzentwurf und die Stellungnahme des VDMT .

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