„Zug nach Jöhstadt – Abfahrt!“, erschallt es im nächtlichen Preßnitztal. Langsam setzt sich die sächsische IV K in Bewegung. Der Dampf zieht vor dem Mondlicht über den Zug. An Bord sind dieses Mal aber keine Touristen oder historische Eisenbahnfans,
sondern die Zukunft der Bahn. Studierende mehrerer Hochschulen waren nach Jöhstadt zur Digital Rail Summer School gekommen. Zum Abendprogramm gehörte an jedem Tag eine Fahrt mit der Preßnitztalbahn zum Abendessen, am letzten Tag sogar mit Dampf. Die Begeisterung ist den jungen Menschen ins Gesicht geschrieben, egal, ob sie im Restaurantwagen ein Bier trinken oder auf dem Cabrio-Wagen die kalte Erzgebirgsluft genießen.Einer der Autoren steht mit einem Krug Gerstensaft auf der Plattform eines Wagens, neben ihm einer der Organisatoren der Summer School. Der Stress der vergangenen Tage ist ihm ins Gesicht geschrieben, wird aber vom Gefühl des Erfolgs übertüncht. „Nur wenn du es wie hier im Erzgebirge schaffst, digitale Innovationen und Historie miteinander zu kombinieren, kannst du die Leute von der Eisenbahn begeistern“, ist er sich sicher. Im Preßnitztal meint man damit aber nicht nur, dass die Teststrecke der DB nur ein paar Kilometer entfernt liegt – im Gegenteil: Ein Studentenprojekt, die Auswertung von Achszählern und das Stellen eines Signals nach dem EULYNX-Protokoll, das das Rückgrat der digitalen Stellwerke darstellt, wurde tags zuvor an der Preßnitztalbahn erprobt (natürlich ohne Sicherheitsverantwortung).
Technik, die begeistert
Tourismus- und Museumsbahnen – insbesondere mit Dampfbetrieb – stellen für viele Menschen den Einstieg in die Welt der Eisenbahn dar. „Technik, die begeistert“ ist nicht nur das Motto von Opel. Viele aktive Eisenbahner waren zuvor bei Museumsbahnen tätig und sind es oft auch noch heute. Im Fall der Preßnitztalbahn hat dies sogar dazu geführt, dass die Aktiven mit der PRESS eine eigene Eisenbahngesellschaft, die inzwischen bundesweit tätig ist, aufgebaut haben.
Warum ist es so wichtig, junge Menschen, insbesondere solche mit digitalen Kompetenzen, zu begeistern? Ein großer Teil der Mitarbeiter von DB Netz – insbesondere auch Fahrdienstleiter – geht in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand. Wenn die Eisenbahn das Rückgrat einer Wende zum klimafreundlichen Verkehr werden soll, dann ist es notwendig, große Teile zu digitalisieren, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Wenn es nicht gelingt, diese Menschen zu begeistern, müssen wir uns über Dampf oder nicht Dampf aus Umweltgründen keine Gedanken mehr machen, weil dann die Bahn nicht mal mehr in der Lage wäre, die Hauptstrecken zu bedienen. Eine Massenflucht auf die Straße und in die Luft wäre die Folge.
Wir brauchen die Touristik- und Museumsbahnen also auch als Motivator, dass sich Menschen mit der Bahn beschäftigen – unabhängig von ihrer direkten Umweltbilanz.
CO2-Ausstoß vernachlässigbar
Wie „dreckig“ sind die Dampfzüge der Touristik- und Museumsbahnen denn eigentlich wirklich? Dazu schauen wir uns zunächst mal den typischen Verbrauch eines Dampfzugs an und nehmen als Beispiel eine größere Dampflok-Veranstaltung, das Dampfspektakel Trier im Jahr 2018, bei dem mehrere hundert Kilometer mit unterschiedlichen Fahrzeugen zurückgelegt wurden. Dabei kamen Dampfloks der Baureihen 01, 01.10 und 03.10. zum Einsatz – also schwere Streckenloks mit hoher Leistung. Im Mittel ergab sich über alle Loks ein Verbrauch von 1,5 Tonnen Kohle pro 100 Kilometer. Museumszüge sind immer gut ausgelastet – sonst lohnt es sich nicht zu fahren. So wurde beim Dampfspektakel eine Mindestbelegung von 360 Fahrgästen pro Zug mit den großen Lokomotiven erreicht. Bei der oben berechneten Menge an verfeuerter Kohle ergibt sich ein CO2-Ausstoß von 117,9 g pro Fahrgastkilometer.
Vergleichen wir das mit der mittleren Neuwagenemission im gleichen Jahr, landen wir bei 121,5 g pro Kilometer für Diesel-PKW, für Benziner noch mehr, SUVs deutlich mehr. Wenn man bedenkt, dass Autos meist mit nur einer Person besetzt sind, kommt man zu der Erkenntnis, dass der Dampfzug sogar klimafreundlicher ist, als wenn eine einzelne Person diese Strecke mit einem durchschnittlichen Neuwagen zurücklegt.
Vergleichen wir den Kohleverbrauch aller im VDMT organisierten Bahnen mit dem Großkraftwerk Mannheim (GKM), einem Steinkohlekraftwerk, dessen neuster Block erst 2015 in Betrieb genommen wurde und für das – wie für viele Steinkohlekraftwerke – noch kein Abschaltungstermin feststeht: Jährlich braucht dieses Kraftwerk 2,5 Millionen Tonnen Kohle. Die VDMT-Bahnen kommen mit lediglich 16.500 Tonnen aus. Oder in Relation gesetzt: lediglich 0,66 % des GKM. Jährlich verbraucht Deutschland ca. 37 Millionen Tonnen Steinkohle – die VDMT-Bahnen verbleiben dann mit lediglich 0,04 %. Verteilt man einen Kohleausstieg bis Ende 2038 auf alle Verbrenner und würde die Dampfzüge als letztes angehen, wären die VDMT-Bahnen am 28.12.2038 um 1:39 Uhr dran. Die Dampfbahnen sind also vernachlässigbar und stellen eine Nebendiskussion dar, die tendenziell von den Hauptthemen ablenkt, den großen Emittenten von Treibhausgasen.
Kohle erheblich teurer
Der Kohleausstieg trifft die Dampfbahnen unabhängig davon. Die CO2-Bepreisung erhöht über die nächsten fünf Jahre hinweg die Kosten pro Tonne um bis zu 100 €. Zusätzlich steigt durch den Ausstieg aus der Massenproduktion der Preis. Spezialkohle ohne Großabnehmer, wie z.B. Schmiedekohle, kostet inzwischen über 400 € pro Tonne. Daher ist es nicht nur notwendig, die Dampfbahnen nicht zu „verteufeln“, sondern es ist zu überlegen, ob der Denkmalcharakter dadurch gewürdigt wird, dass man die Dampfbahnen von der CO2-Bepreisung befreit und die Beschaffung der Kohlen sogar unterstützt. Bei PKW-Oldtimern wird dies ähnlich gehalten; sie sind steuerlich bevorzugt.
Es bleibt zu hoffen, dass auch in vielen Jahren zu Sonderveranstaltungen und im touristischen Betrieb noch Dampfzüge unterwegs sein können, und gleichzeitig die Furcht vor einem Klimawandel schwindet, weil klimafreundliche Alternativen zu den großen Kohlemeilern gefunden worden sind.
Dr. Luks Iffländer (Bundesvorsitzender Pro Bahn)
Johannes Füngers (stellv. Vorsitzender VDMT)