Der Verein zur Erhaltung und Förderung des Schienenverkehrs Bocholt e.V. (VEFS), der in diesem Jahr auf sein 25-jähriges Jubiläum blickt, hat im März 2010 die 58. VDMT-Tagung ausgerichtet. Wer mit der Bahn anreiste, wurde an der Strecke von Wesel bereits auf den Güterverkehr der Bocholter Eisenbahn GmbH (BEG) aufmerksam, die 2002 von vier Mitgliedern dieses Vereins gegründet worden ist. Damit steht der VEFS für jene Museumsbahn-Vereinigungen, die den Schritt in die Professionalität gewagt haben.
Zwar konnten die Bocholter den Tagungsteilnehmern keine Fahrt mit ihrem Museumszug zwischen Bocholt und Mussum bieten, weil die Strecke im vergangenen Jahr auf noch unbestimmte Zeit gesperrt worden ist. Dafür luden sie aber zum Besuch des Textilmuseums ein, einer der acht Standorte des dezentralen LWL Industriemuseums. Dass auch ein Textilmuseum das Thema Eisenbahn tangiert, war unschwer schon beim Betreten der Anlage an den ausgestellten Güterwagen und einer Dampfspeicherlok zu erkennen. Wie allerorts nahm auch in dieser Region die aufstrebende (Textil-)Industrie im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts durch die entstehende Eisenbahn-Infrastruktur ihren Aufschwung. Bocholt war einst Eisenbahnknotenpunkt. Hier kreuzten sich die Strecken von Münster nach Empel und von Wesel nach Winterswijk. Selbst eine niederländische Dampfstraßenbahn von 750 mm hatte hier bis 1916 ihren südlichen Endpunkt.
Dr. Hermann Paßlick, Verkehrs- und Rechtsdezernent des Kreises Borken sowie stellvertretender Verbandsvorsteher des SPNV Münsterland, begrüßte die fast 80 Tagungsteilnehmer. In seinen einleitenden Worten gab er einen Überblick über die Entwicklung der Eisenbahn in Bocholt und stellte dabei u.a. das Engagement des VEFS heraus, als es darum ging, die Strecke nach Wesel zu erhalten. Ein Triebwagen der BR 628, den die Stadt kaufte; die Ertüchtigung der Strecke im Zuge der Regionalisierung und Fahrplanverbesserungen retteten schließlich den „Bocholter“.
Auf ein Vierteljahrhundert Vereinsgeschichte und -aktivitäten sowie die vor acht Jahren gegründete Bocholter Eisenbahngesellschaft blickte Antonius Mayland, seit 1985 Vorsitzender des VEFS, zurück und vermittelte der Versammlung einen Eindruck vom Schienenverkehr in und um Bocholt. Der Verein konnte seinen musealen Fahrbetrieb zunächst von Bocholt aus in Richtung Winterswijk durchführen. Als aber Mitte der 90er Jahre die Strecke abgebaut wurde, musste der VEFS auf die Strecke nach Mussum ausweichen. Dort hofft er nun nach der 2009 erfolgten Sperrung, wenigstens zu den kommenden Nikolausfahrten die Gleise wieder befahren zu können.
Die Themen der Tagung rankten sich an diesem Wochenende um beispielhafte Anforderungen, welche die Gegenwart an Museums- und Touristikbahnen wie Eisenbahnmuseen stellt. Eine von ihnen ist die Bildung von Netzwerken, um gemeinsame Ziele effektiver verfolgen und Fördermittel generieren zu können. Hans-Joachim de Bruyn-Ouboter referierte als Vorsitzender des Bergischen Ringes e.V. über „Das erfolgreiche Netzwerk der Industriekultur und bergische Verkehrsgeschichte“, um damit den Tagungsteilnehmern Anregungen zur eigenen Umsetzung zu geben. Der Bergische Ring ist der Zusammenschluss von elf Vereinen, die im Bergischen Städtedreieck zu Hause sind und mit historischen Fahrzeugen die Region „erfahren“: im Raum Wuppertal, Solingen und Remscheid sowie Radevormwald und Erkrath. Hier werden Städte-, Tourismus- und Vereinsintereressen vorbildlich gebündelt.
Die Möglichkeiten eines Lokomotivneubaus im 21. Jahrhundert stellte André Marks anhand der sächsischen I K Nr. 54 des Verein zur Förderung Sächsischer Schmalspurbahnen e.V. (VSSB) vor. Das Projekt finanzierte sich ausschließlich über Sach- und Geldspenden. Marks beschrieb den Weg von der Absichtserklärung im Jahr 2005 über die Rekonstruierung hin zur Vermarktung der neuen Maschine, die im Juni 2009 das Werk Meiningen verließ und seitdem ein Aushängeschild für die sächsische Dampfbahnroute ist. Auch hier zeigte sich, dass Vernetzung immer mehr in den Vordergrund rückt: Durch das I K-Projekt sind sich die sächsischen Schmalspurbahnen im gemeinsamen Interesse nähergekommen.
Günther Steinhauer berichtete aus der Verbandsarbeit: zunächst über den „Dauerbrenner“ PZB 90 als eine „verlorene Schlacht“. Er verwies ferner auf die werbewirksame Teilnahme am Girl's Day und am Tag des offenen Denkmals im Herbst, der dieses Mal passgenau für Museums- und Touristikbahnen unter das Generalthema „Kultur in Bewegung – Reisen, Handel und Verkehr“ gestellt worden ist. Zudem begrüßte er die Initiative der Kandertalbahn, den VDMT-Mitgliedern Muster für Tarife und Barrierefreiheit zur Verfügung zu stellen. Weiter wurde die Anleitung zur Untersuchung von Güterwagenradsätzen angesprochen wie auch der Vorstoß, Pfeifsignale an Bahnübergängen abzuschaffen. Der VDV wird sich hierbei für die Unverzichtbarkeit einsetzen. Johannes Füngers bat um Erfahrungsberichte aus den Reihen der Mitgliedsvereine zum Thema „Fahrzeuganstriche“. Michael Baaden wies noch einmal darauf hin, dass die Museumsbahnen ihre steuerliche Gemeinnützigkeit bei den Finanzämtern entsprechend anmelden sollten. Zur Frage des Fahrzeughalters hat der VDMT ein Gutachten in Auftrag gegeben, das für einen rechtssicheren Boden sorgen soll. Heimo Echensperger ging kurz auf die Eröffnungsveranstaltung zu „175 Jahre Deutsche Eisenbahnen“ in Trier ein und erinnerte noch einmal an die Ursprungsidee des VDMT, dieses Jubiläum zu nutzen, um die Leistung von Museumsbahnen in der Öffentlichkeit präsenter zu machen. Der Terminkalender des VDMT weise noch immer Lücken auf.
Auf der Mitgliedersammlung am Sonntagmorgen standen u.a. turnusmäßig Wahlen an. Einstimmig wiedergewählt in das Amt der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wurde Ingrid Schütte. Das Amt des Schatzmeisters übernimmt David Uhr, Geschäftsführer der Railflex GmbH. Änderungen in der berufsgenossenschaftlichen Versicherung – Von der BG Bahnen zur VBG – standen noch auf dem Programm der Tagung. Ein Vortrag von Joachim Klasing, VBG Duisburg, brachte allerdings nicht die gewünschte Klarheit, so dass dieses Thema weiter verfolgt wird.
Bevor die Tagungsteilnehmer das Textilmuseum in Augenschein nahmen, führte dessen Leiter Dr. Hermann Stenkamp in das außergewöhnliche Konzept seines technikhistorischen Museums ein, in dem sich ein kompletter Kosmos mit lauffähigen Maschinen präsentiert. Die voll funktionstüchtige Museumsfabrik mit Websaal, Werkstatt und Maschinenhaus wurde 1989 eröffnet. Alle Gebäude sind nach dem Vorbild historischer münsterländischer Textilfabriken um 1900 errichtet worden.